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Monsieur Terrible oder der Prinz von Doha

König Midas war ein König. Ein unglücklicher, wie wir wissen. Wer König ist, der kann nicht reicher werden, auch nicht mit Händen voller Gold. Reich werden können nur Prinzen, sie werden mit liebreizenden Töchtern und halben Königreichen beschenkt, dazu noch mit einer Zukunft. In den heutigen demokratischen Staaten der westlichen Welt gibt es keine Könige mehr, nur mehr Prinzen. Und zwar soviele wie Facebook-Accounts, deren Herrschaft bekanntlich weiter reicht als ein läppisches Königreich. Auch die Prinzessinnen werden nicht mehr nur vergeben, sondern bemühen sich in den zahlreichen Kanälen um Aufmerksamkeit, Selbstwertgefühl und preissteigernde Marktsegmente.

Doha liegt in Katar. Das ist ein Emirat. Der Emir ist alleiniger Herrscher, ein Parlament oder politische Parteien existieren nicht. Sozusagen ein Königreich wie im Märchenland. Kürzlich nimmt einer der begnadetsten Fussballer Europas in Doha ein in Gold getauchtes Steak zu sich. Es ist ein Geschenk des Restaurantbesitzers. Wie der Wirt stammte Midas aus Anatolien, nach heutiger Geografie, damals noch Phrygien. Die charakteristische phrygische Mütze setzte sich der glücklose König später aus Scham über seine Dummheit über den Kopf. Nach dem Verzehr des goldenen Kalbs stürmt ein Shitstorm über den Stürmer her. Ribéry setzt sich keine Haube auf, sondern revanchiert sich in ausgesprochen flegelhafter Manier. In den Netzwerken fallen obszöne Worte. Der Spiegel spricht von einem “Beleidigungsduell”. Er, der seit einem Autounfall als Zweijähriger eine Narbe im Gesicht trägt, ist dennoch ein Prinz. Zumindest gefühlt. Er war Proletarier und ist Millionär. Das reicht eigentlich zum König- und Midas-Dasein. Doch er will Prinz bleiben, auch wenn Kingsley Coman, ebenfalls Franzose, dem Prinzen von Bel Air ein wenig ähnlich schaut und am Flügel mittlerweile beträchtlich schneller ist. Ribéry ist Prinz beim FC Bayern, der zwar ein Verein ist, aber dennoch wie ein Königreich geführt wird. Sein Präsident und König heißt - wie jeder weiß - Uli Hoeneß. In seinem Brotjob brät Hoeneß Rostbratwürste und nicht Steaks, weil er weiß, dass nur wer bei seinen Leisten bleibt und nichts vergoldet, eine Zukunft hat, und damit Prinz bleiben kann. Er hält sich an diese Regel, auch wenn er einmal gegen sie verstoßen hat. Die Strafe dafür ist abgebüßt. Und das ist auch eine andere Geschichte.

Im Jahr 2013 verfertigte Helmut Lutter ein Riesenrelief des Fußballers. Es trägt den Titel “Monsieur Terrible”. Eine Kopie des Bildes wurde etwas später - Ribéry ist noch unangefochtener Prinz am Rasen - an die Münchner Theatinerkirche geheftet. Es zeigte den Flügelspieler in einem Hermelinmantel, blauem Samt, vor feuerroter Gloriole und mit kermitgrünen Fußballschuhen. Allerdings auch während eines Ausrasters. Wie Jean d’Arc reißt der Fußballer die Eckfahne aus und ballt die Linke kampfeslustig zur Faust. Das alles begleitet von einem heißblütigen Urschrei. Ob nun derb oder nicht. Die Gesten sind royale Siegeszeichen und brachiale Aggressionsbekundung. Daneben steht zu lesen “Bayern hat wieder einen König”. Nike stellt sein schwungvolles Logo bei. Der Sieg scheint durch den Kraftakt nur selbstverständlich. Die Anspielung ist klar und doch gerät sie bedenklich in Schräglage. Denn König Ludwig von Bayern war kein glücklicher König, und in seinem Naturell eher wahrscheinlich wie Midas, wie wir wissen.

Mehr Texte von Thomas D. Trummer

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