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Art Brussels: Spielwiese der Galeriemodelle

Kunstmessen haben mehrere Dauerbaustellen. Eine davon heißt Social Media, eine andere Messemüdigkeit, eine weitere Strukturwandel. Im globalen Aufmerksamkeitswettbewerb müssen die kleineren Marktteilnehmer ständig auf Draht sein, um den Anschluss nicht zu verpassen und im Gespräch zu bleiben.

Bei der Art Brussels ist man sich all dieser Herausforderungen bewusst. Für Direktorin Anne Vierstraete bedeutet das Internet Fluch und Segen zugleich: "Durch die digitalen Informationskanäle gibt es weniger Spannung als früher. Alle Galerien nutzen elektronische Medien, das erzeugt natürlich eine visuelle Überfütterung. Andererseits hilft das den Galerien, ihre Reichweite zu erhöhen. Die Kommunikation im Vorfeld ist aber letztlich der Messe zuzurechnen." Denn einen Anlass braucht jede Kundenansprache, und ein Event erzeugt auch immer eine gewisse Dringlichkeit.

Doch nicht nur virtuell ist die Konkurrenz groß. Gerade im April drängeln sich die Veranstaltungen, die zudem alle das Osterwochenende vermeiden wollen: Art Cologne, Gallery Weekend Berlin, Miart, Art Monte Carlo und eben Art Brussels, um nur die wichtigsten zu nennen. Eine Sorge weniger hat die Vierstraete jedenfalls: Der 2016 gestartete Brüsseler Ableger der Independent New York hat sich in den November verzogen; das nimmt ein wenig Druck vom Marktplatz: "Natürlich trägt es zum Vibe bei, wenn man einen zweiten Player hat", so Vierstraete. "Aber der Marktplatz bleibt ja der gleiche, und solange dieser neue Player keine neuen Kunden bringt, entsteht eine Konkurrenzsituation."

Den Strukturwandel, der das klassische Galeriemodell in Frage stellt - und damit auch den Vertriebskanal Kunstmesse - geht die Messe in diesem Jahr aktiv an. von den 157 Ausstellern hat die Messeleitung neun selbst eingeladen. Einziges Kriterium war, dass sie noch nie an der Messe teilgenommen haben - und in irgendeiner Form vom klassischen Galeriemodell abweichen. Dazu gehören kooperative Projekte wie der Zusammenschluss von LambdaLambdaLambda aus Tirana, Lulu aus Mexiko Stadt, Misako&Rosen aus Tokio sowie Park View/Paul Soto aus Los Angeles als La Maison de Rendez-Vous in Brüssel oder Paid by the Artist, die als Projektgalerie eines Antwerpener Ex-Galeristen und eines Künstlers lediglich für die Laufzeit der Messe existiert und vom Galeristen im Mai schon wieder von der nächsten Galerie abgelöst wird, die wiederum nur für die Dauer einer Ausstellung existieren wird.

Das ist das Spielbein der Art Brussels, die auf diese Weise möglichen Zukunftsmodellen eine Plattform gibt. Die klassische junge Abteilung jeder Kunstmesse heißt in Brüssel Discovery und ist in diesem Jahr von 32 auf 38 Teilnehmer angewachsen.

Aus eigenem Antrieb hat sich Jochen Hempel aus Leipzig auf das Wagnis eingelassen, nur zwei Künstler zu zeigen, darunter die Keramik-Skulpturen von Johan Tahon, die er in einer Art Atelier-Situation präsentiert. Warum er direkt nach Köln auch noch in Brüssel ausstellt, erklärt er damit, dass die jeweils lokalen Sammler den anderen Ort schlicht nicht besuchen und er den belgischen Sammlern seinen belgischen Künstler näherbringen möchte.

Umgekehrt entgeht den deutschen Sammlern in Brüssel Einiges. So zeigt die Galerie Charlot aus Paris und Tel Aviv das Frühwerk des Computerkunst-Pioniers Manfred Mohr, der seit Ende der 60er Jahre Zeichnungen von Programmen entwerfen und einem Plotter zeichnen ließ. Die Auswahl der Werke erstreckt sich von den 1969 bis in die 80er Jahre, die Preise starten bei 6.000 Euro und enden im niedrigen fünfstelligen Bereich.

Nicht einmal anderthalb Jahre existiert die Brüsseler QG Gallery, die Karl Georg Pfahler sowohl in der Galerie als auch auf der Messe Soloshows ausrichtet; Preise hier 55.000 bis 72.000 Euro. Demnächst soll es eine Ausstellung bei einer der ganz großen Galerien geben. Details wollte Galerist Quentin Grosjean jedoch noch nicht preisgeben. Aber kaufen solle man vielleicht jetzt noch, bevor die Preise anzögen.

Ganz so dringend ist es mit dem Kaufen in Brüssel jedoch in der Regel nicht, wie die Erfahrung zeigt. Abschlüsse ziehen sich zumeist bis zum Wochenende oder über das Messeende hinaus hin. Aber verkauft werden muss, egal ob altes Geschäftsmodell oder neues. Bisher funktioniert das in Brüssel in der Regel ganz passabel.

Mehr Texte von Stefan Kobel

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Art Brussels
25 - 28.04.2019

Art Brussels @ Tour & Taxis
1000 Bruxelles, avenue du Port 86 C
http://www.artbrussels.com
Öffnungszeiten: 11-19 h


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