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So nah und doch so fern: Art Berlin und Positions Berlin

So nah und doch so fern: Gleich zwei Kunstmessen finden in den kultigen Hangars des legendären ehemaligen Flughafen Tempelhof statt. Und obwohl man sich auf den zum Rollfeld hin gelegenen Außenbereichen der beiden Veranstaltungen zurufen kann, braucht es doch eines viertelstündigen Fußwegs oder des Shuttle-Busses, um von der einen zur anderen zu gelangen. Obwohl ein gemeinsamer Zugang über die zentrale Abflughalle machbar wäre – zur Art Berlin rechts einchecken, zur Positions links. Das ist wohl nur mit dem besonderen Berliner Biotop zu erklären, in dem schon die Vorgängerinnen Art Forum Berlin und art berlin contemporary trotz bester Voraussetzungen nicht gedeihen konnten.

Aus abc wurde mit Kölner Hilfe Art Berlin, die mit ihrer dritten Ausgabe und der zweiten in Tempelhof fast schon als etabliert gelten kann, wenn auch mit eingeschränkter Reichweite. Von den insgesamt 110 Ausstellern in den drei Abteilungen Galleries, Special Projects und Salon stammen 20 aus Köln oder Düsseldorf, 46 aus Berlin - wobei einige an beiden oder mehreren Standorten präsent sind. Lediglich ein Viertel der Galerien (27) stammen aus dem Ausland, der Rest aus dem übrigen Deutschland. Das Publikum ist weitestgehend deutsch. Das ist unverdient und schade, spiegelt jedoch den Zustand des Berliner Marktes ganz gut wider, der im Gegensatz zur Kunstszene eher von regionaler Bedeutung ist.

Die Aussteller machen das Beste draus. Bärbel Grässlin nutzt die Gelegenheit, um mit ihrer Frankfurter Zweitgalerie namens Filiale ihr ganz junges Programm zu präsentieren. "Man muss den jungen Leuten doch ein Forum bieten", erklärt sie. Zum Beispiel Martin Kähler, einem ehemaligen Schüler von Tobias Rehberger, dessen skulpturale Objekte aus Fundstücken zusammengesetzt sind und sowohl den Lehrer als auch die Arte Povera nicht verleugnen können. Bei Preisen durchgängig im mittleren vierstelligen Bereich wird hier Kunst geboten, die etablierte Galerien auf Messen in Basel, London oder Paris kaum anbieten könnten ohne draufzuzahlen. Christian Nagel, Galerist aus Berlin und Köln, meint: "Die Art Berlin ist ein lokales Highlight, und wir haben hier in den letzten Jahren auch gut verkauft. Hier versucht man, mit kleinen feinen Präsentationen richtige Ausstellungen zu veranstalten." 

Die Riege österreichischer Galerien ist beachtlich, müssen die meisten von ihnen doch zwei Wochen später noch ihre Heimatmesse bedienen. Charim, Crone, Croy Nielsen, Bernd Kugler, Panarte und Thoman sind angereist. Christine König aus Wien und Jochen Hempel aus Leipzig teilen sich einen Stand, um die Arbeiten der in Berlin lebenden Israelin Alonah Rodeh zu zeigen. Vor dem komplett schwarzen Hintergrund der Koje ergeben die so glitzernden wie martialischen Skulpturen und Bilder ein technoides Ensemble zum Thema Sicherheit und öffentlicher Raum. Für die beiden Galerien bietet die Zusammenarbeit an diesem Ort die ideale Bühne, um auf die aktuellen institutionellen Ausstellungen der Künstlerin in Erlangen und Salzburg sowie auf die eigenen in der nahen Zukunft aufmerksam zu machen.

Jan-Philipp Sexauer fühlt sich mit seiner 2015 gegründeten Berliner Galerie auf der Art Berlin sehr gut aufgehoben. Aus seinen letzten Ausstellungen habe er zu 70 Prozent an Berliner verkauft. Es gebe sie durchaus, die einheimischen Sammler. Man müsse halt ihrem Bedarf und ihren Möglichkeiten entgegenkommen. Auf der Messe sind das kleine Unikate, Objekte aus Seife mit Einschlüssen von Überresten eines Waldbrandes in der Toskana, die Jeewi Lee von ihrem Aufenthalt an der Villa Romana mitgebracht hat. Man kann entweder ein wall piece aus bis zu 400 einzelnen Stücken kaufen oder nur ein einzelnes für gerade einmal 60 Euro.

Die Auswahl auf der Art Berlin ist größtenteils solide, manchmal überraschend und erfrischend. Auf der Positions geht es anders zu. Das Preisniveau ist meistens moderat, die Hemmschwelle für die Besucher niedriger. Gerade den Neu-Sammlern wäre etwas mehr Geleit in Form von strengerer Auswahl zu wünschen, denn das Angebot ist bisweilen immer noch beliebig. Doch gibt es auch oder vielleicht gerade hier Entdeckungen zu machen. Kunst aus der DDR, die erst jetzt in großen Ausstellungen in Leipzig und Düsseldorf „wiederentdeckt“ wird, findet sich zuverlässig bei der Berliner Galerie Brusberg, die schon zu Zeiten des Eisernen Vorhangs mit den Künstlern aus dem Osten des Landes den schmalen Grat zwischen Widerstand und Anpassung erkundete.

Ebenfalls historische Positionen hat Maus Contemporary aus Birmingham im Süden der USA dabei. Eugene James Martin, 1938 geboren und 2005 gestorben, war ein schwarzer Maler. Er lebte und arbeitete bis in die 1970er Jahre unter schwierigsten Bedingungen, bis seine von ihm selbst so genannte „satirische Abstraktion“ in den 1990ern erste Anerkennung fand. Yoshishige Furukawa (1924 bis 2008) ging 1963 von Japan in die USA und wird gerade als einer der großen japanischen Minimalisten wiederentdeckt. Bis 65.000 Euro kosten die Arbeiten in Berlin. Man würde die Galerie eher auf der benachbarten Messe vermuten, doch Galerist Guido Maus fühlt sich auf der Positions wohl. Die Atmosphäre sei einfach locker und seine Erfahrungen nach mehreren Teilnahmen gut.

Der Großteil der Besucher und Käufer findet beide Veranstaltungen gut. Und wenn die Veranstalter sich dazu durchringen können, miteinander zu arbeiten statt – freundlich ausgedrückt – nebeneinander her, klappt es vielleicht auch mit der Außenwirkung. Berlin könnte es gebrauchen. 

Art Berlin
https://www.artberlinfair.com/

Positions Berlin
https://positions.de/

Mehr Texte von Stefan Kobel

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