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Jonas Lund - Call Me Maybe: Wenn Kryptowährung zur Kunst wird ...

Was auf den ersten Blick wie eine klassische Galerieausstellung wirkt, ist vielmehr ein Showroom für die kritische Auseinandersetzung mit dem Kunstmarkt. Auch wenn man die Ausstellung, die bis Ende April bei unttld contemporary in der Wiener Schleifmühlgasse gezeigt wird, auf Grund der drastischen Einschränkungen, die das Coronavirus auf unseren Alltag hat, zurzeit nicht besuchen kann, lädt sie dazu ein, die Arbeiten von Jonas Lund im Internet zu erkunden. Denn Letzteres ist gerade für Lund, der oftmals als Netzkünstler bezeichnet wird, essenziell.

Lund hinterfragt die Prozesse und Strukturen des Kunstmarkts, indem er seine künstlerischen Arbeiten, das sind Malereien, Skulpturen, Fotografien oder Performances, dem Zeitalter der Digitalisierung aussetzt. Er stellt sich nicht nur den neuen Technologien, sondern begibt sich in Anspielung auf die Intransparenz des Kunstmarkts in eine unmittelbare Abhängigkeit, indem er ein autonomes Kunstprojekt schafft, den Jonas Lund Token, an dem wir beispielsweise durch den Erwerb eines Kunstwerks teilhaben können. Ziel ist es, die Entscheidungen, die man als Künstler zu treffen hat, vollkommen auszulagern. Dabei erfand der schwedische Künstler eine eigene Kryptowährung – den Jonas Lund Token (JLT). Von den insgesamt 100.000 Anteilen wurden 10.000 anfangs an ein ausgewähltes Kuratorium aus Kunstfachleuten vergeben. Weitere 10.000 Anteile besitzt der Künstler selbst. Die restlichen 80.000 sind für den Online-Kauf von Jonas Lund Token und seine Wandarbeiten reserviert. Token erhält man aber auch für gewisse Gegenleistungen, wie beispielsweise das Posten von Arbeiten auf Instagram oder wenn man den Künstler zu einer Einzelausstellung einlädt.

Über einen seriösen Webauftritt bindet Jonas Lund seine Aktionäre in Entscheidungsprozesse ein und lässt beispielsweise darüber abstimmen, wie er seine Ausstellungen oder Kunstwerke gestalten oder ob er an einem Talk teilnehmen soll. Je mehr Token verkauft werden, umso weniger Stimmrecht hat der Künstler. Ziel ist es, die Entscheidungen auszulagern und die Tätigkeit als Kunstschaffender gänzlich von Kunstmarktexperten steuern zu lassen. So sieht der Künstler auch vor, die Jonas Lund Token zu einem späteren Zeitpunkt über einen Internet-Marktplatz anzubieten, wodurch jeder mit der Kryptowährung handeln könnte. Die Kryptowährung wäre somit direkt an den Marktwert des Künstlers gekoppelt und würde diesen in einem monetären System abbilden.

Solch ausgeklügelte Ideen sind für den schwedischen Künstler keine Seltenheit, der bekannt dafür ist, sich kritisch mit gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Themen auseinanderzusetzen. Bereits in seiner Ausstellung „Strings Attached“ in der Steve Turner Galerie in Los Angeles präsentierte er 24 textbasierte Arbeiten, die spezifische Restriktionen am Kunstmarkt implementieren und gleichzeitig den globalen, profitorientierten Kunsthandel kritisch beleuchten. So darf eines der medialen Kunstwerke nur an einen österreichischen Sammler, ein anderes an einen belgischen oder ein weiteres an einen Golden Globe Preisträger verkauft werden. Bereits die Leinwände seiner Werkgruppe „Flip City“ (2014) stattete Lund mit GPS-Tracker aus, um so seine Kunstwerke stets lokalisieren zu können.

Welche Auswirkungen die inhaltliche Komponente auf die Ästhetik der Arbeiten hat, erkennt man in der Ausstellung „Call me maybe“ bei unttld contemporary. Die Collagen aus Acrylglas scheinen nahezu geprägt von einem wabenartigen Muster, das sich durch die Farbflächen zieht und das Kryptische der Kryptowährung abbildet. Quadrate, Kreise und Farbflächen sind übereinander geordnet. Ganz präsent in den Vordergrund tritt in den meisten Arbeiten die Silhouette einer Person mit Hut, Jonas Lund selbst, der uns auch auf der Website des Jonas Lund Token (--> https://jlt.ltd/) entgegenblickt. An Ironie fehlt es ihm nicht. So steht schon im Erdgeschoß der Ausstellung zentral auf einem weißen Sockel positioniert ein rot bemaltes Telefon, über das man direkt mit dem Künstler verbunden werden kann. Doch viel einfacher ist der Weg ins Internet, eine für den Künstler unabdingbare Kommunikationsplattform.

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Anm.d.Red.: unttld contemporary ist noch bis zum 5. Mai geschlossen. Besuche der Ausstellung sind gegen voranmeldung möglich.

Mehr Texte von Désirée Hailzl

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Jonas Lund - Call Me Maybe
06.03 - 02.06.2020

unttld contemporary
1040 Wien, Schleifmühlgasse 5
Tel: +43 660 47 14 003
Email: office@unttld-contemporary.com
http://www.unttld-contemporary.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 12-16 h


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