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Virtuelle VIPs

Man stelle sich vor, es ist Vernissage und das Tor klemmt. Genau das passierte der Vipartfair, der exklusiven Kunstmesse im Internet. Als am Samstag, den 22. Januar, 2011 um 14 Uhr MEZ die virtuellen Pforten der Messehalle geöffnet wurden passierte... erst einmal nicht viel. Es hakte an allen Ecken und Enden. Fehlermeldungen, Ladeabbrüche, elend langsamer Seitenaufbau. Avatare hätten in den virtuellen Kojen noch gefehlt, die angestrengt auf ihre Handies starren. Doch immerhin, in einem kleinen Fenster wurden die Namen des verfügbaren Galeriepersonals ebenso angezeigt wie die der abwesenden Verkäufer. Und um das Gedränge einer realen Vernissage nachzuempfinden, wurde hinter jedem Namen angezeigt, wie viele Anfragen er oder sie nicht beantwortet hatte. Nur funktioniert hat die Veranstaltung nicht. Die Performance von Hard- und Software war so grottig, dass die Premiere am zweiten Tag abgebrochen wurde. So war die Vipartfair den Beweis schuldig geblieben, ob eine Kunstmesse im Internet funktionieren kann oder nicht.

Jetzt versucht die Art Basel, genau diesen Beweis anzutreten. Nicht ganz freiwillig, denn die Real Life-Ausgabe der Art Basel Hong Kong wurde abgesagt. Die Webseite und die App standen wohl schon weitgehend und bauen auf dem bekannten Online-Katalog auf. Technisch ist die Internetmesse also ausgereift. Mit dem damaligen Direktor der Vipartfair hat man auch die entsprechende Expertise im Haus: Noah Horowitz ist heute als Direktor bei der Art Basel für Nord-, Mittel- und Südamerika zuständig.

Die Schweizer inszenieren ihre Internet-Messe fast so wie im echten Leben. Die ersten beiden Tage waren den VIPs vorbehalten. Seit Freitag dürfen alle rein. Und das sogar kostenlos, anders als beim Hallenturnier. Der elektronische Auftritt ist durchaus ansprechend: Jede Galerie hat einen virtuellen Viewing Rooms mit hochauflösenden Abbildungen der Werke in einer fiktiven Koje zusammen mit Detailangaben zum Werk und der Möglichkeit zur Kontaktaufnahme mit Galeriemitarbeitern. Es lässt sich sogar anschauen, wie sich ein Bild über einem – allerdings fremden – Sofa macht.

Der Auftritt funktioniert am großen Bildschirm wie in der App auf dem Handy erstaunlich gut. Die Bedienung ist einfach, was auch daran liegt, dass die Such- und Sortierfunktionen recht bescheiden sind: Es gibt Suchfelder für Galerie- und Künstlernamen sowie ein Drop Down-Menü mit einigen Sortiermöglichkeiten wie Entstehungszeitraum, Herkunft des Künstlers und Medium.

Ein entscheidender Unterschied zwischen der virtuellen Ausgabe und einer realen Kunstmesse: Preistransparenz. Wogegen sich viele Galerien seit Jahrzehnten mit Händen und Füßen geworden haben, ist plötzlich möglich: Jedes Kunstwerk, das nicht als verkauft markiert ist, ist mit einem Preis ausgezeichnet – oder zumindest einer Preisspanne. Einheitlich in US-Dollar, kein Umrechnen nötig. Und: Viele Aussteller machen von der Möglichkeit Gebrauch, einen konkreten Preis zu nennen. 

Bei immerhin 58 Galerien werden auch weniger gut Betuchte mit einem Budget von weniger als 10.000 US-Dollar fündig. Das Gros der Objekte kostet bis 100.000 Dollar. Jenseits der Million wird selbst auf der Art Basel Hong Kong die Luft dünn. Lediglich 14 Aussteller listen Kunstwerke in dieser Region auf. China ist eben nicht die Schweiz. Vielleicht lassen die Händler in dieser Region jedoch einfach lieber die berühmt-berüchtigte Diskretion ihrer Branche walten und bieten Kunstwerke mit sieben- oder achtstelligen Preisschildern gar nicht erst öffentlich an.

Auch auf der anderen Seite ist Diskretion wichtig. Die Veranstalter versichern, dass Besucher die volle Kontrolle darüber behalten, welche persönlichen Informationen sie mit den Galerien teilen möchten, denen sie einen virtuellen Besuch abstatten. Erst bei Kontaktaufnahme ist die zumindest die Angabe einer Emailadresse verpflichtend. Der Besucher hat allerdings auch die Möglichkeit, den Aussteller durch Setzen eines Häkchens im Kontaktformular seinen VIP-Status wissen zu lassen. Vielleicht erhöht das die Chance auf eine Antwort.

Auch Aussteller geben sich redlich Mühe, den Eindruck einer echten Kunstmesse zu vermitteln. Hauser & Wirth verschickte brav am Ende des ersten Tages einen Sales Report an die Presse, wie sie das halt so machen. An Larry Gagosians Stand war zum ersten Publikumstag schon die Hälfte der gezeigten Werke als „sold“ ausgewiesen. Nur der Champagnerausschank funktioniert noch nicht so richtig im Internet.

--> www.artbasel.com

Mehr Texte von Stefan Kobel

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