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Julia Haller . Knights: Postpurismus und ein schwarzer Klecks

Die Künstlerin Julia Haller (*1978) ist Malerin und wenn Künstler*innen sich für die Malerei entscheiden, müssen sie sich gründlicher als andere mit der Legitimation dieses historischen Mediums beschäftigen sowie die Frage „Warum gerade Malerei?“ stets im Sinn haben. Behält diese Forderung auch während der Corona-Krise ihre Gültigkeit? Darf man diese Formel, die den Qualitätsrang des Malerischen bestimmt, derzeit lockern oder sogar fallen lassen?

Haller wurde bis jetzt für ihre eigenwillig spannende Bildsprache gelobt, die sich mit der Materialität der Malerei im Laufe der Geschichte auseinandersetzt und entsprechend mit Kunstpreisen honoriert. Wohl am faszinierendsten wirkten dabei ihre erhellenden Wechselspiele zwischen alten und modernen Technologien in der (vornehmlich abstrakten) Bildfindung. Für viele ärgerlich ist allerdings die auffällige Diskursverweigerung seitens der Künstlerin: keine üblichen Pressetexte, keine Smalltalks oder dicke mit Interpretationen gespickte Kataloge. Hier pflegt Haller einen Postpurismus, in dessen Folge die Besucher*innen als kostbare Information scheinbar belanglose Kritzeleien auf einem Zettel serviert bekommen. Diese bestimmte Handlungsweise wird auch bei der aktuellen, bereits dritten Ausstellung Hallers bei Meyer Kainer, betitelt „Knights“, fortgesetzt. Als Begleitmaterial und zugleich Interpretationshilfe erscheint diesmal ein kopierter, handgeschriebener Text von Christoph Bruckner, einem Kunsttheoretiker und Künstler sowie auch Begleiter der Arbeiten der Künstlerin, der eigentlich nur aus einem Satz besteht und der lautet: I`m trying to write a sentence with a mouse. Mehrmals, aber jedes Mal etwas anders wiederholt, liest sich dieser Text wie ein Mantra bzw. eine langsame Resignation angesichts der Vorherrschaft der Digitalmedien, die in der Isolation dennoch sicheres miteinander Reden gewährleisten.

Waren in Julia Hallers letzter Ausstellung 2017 nur fünf fast gleiche, in drei Räumen aufgeteilte Gemälde zu sehen, so stehen wir jetzt einer fast unerwarteten Fülle an unterschiedlichen Werken gegenüber. Die neuen Bilder (alle 2020), erscheinen durch das Spiel der Zeichen, gestischen Markierungen, Vernetzung und Changieren der mehrfach übereinanderliegenden Elemente, stilistisch abwechslungsreich und malerisch eigenständig. Nach außen hin treten alle einheitlich als „Ohne Titel, Acryl auf Leinwand“ auf, überraschen jedoch durch ihre vielfältige erzählerische Bildsprache.

Das gemalte, vollendete Bild stellte für die Schülerin von Heimo Zobernig im postmedialen Zeitalter ohnehin nie ein glaubwürdiges Anliegen dar. Viel Wichtiger waren malerisch-zeichnerische Effekte, gestisch-psychische Affekte sowie mitunter auch dezenter Synkretismus, der allerlei Freiheit erlaubt. Referenzen für Hallers camp-artige Herangehensweise an die Malerei gibt es zuerst allemal bei männlichen Künstlern angeblich zahlreich (von Polke bis Krebber), aber keine ausschließlich dominierende. Darüber hinaus folgt die Malerin einer Ästhetik des Nicht-Normativen und kombiniert ohne zu zögern das Gelb mit Grün eventuell Orange, grazile oder schwungvolle Linien mit großmäulig- druckausübender Fläche und daneben oder darunter entdeckt man noch einen kleinen schwarzen Kleks oder auch einen vorbeihuschenden fluiden Strich. Von oben herabrinnende zarten Spuren und diverse lineare Notizen sind ebenfalls öfters in den Arbeiten zu finden. Ein andermal, wie im Gemälde gleich gegenüber dem Galerieeingang, lässt Haller die obere Hälfte der rohen Leinwand unbeschrieben leer, um ihre nie nur eindeutig identifizierbare, in diesem Fall jedoch noch lesbare Figuration in der unteren Bildhälfte zu konzentrieren. Sind in dieser engen Zone vielleicht die im Ausstellungstitel erwähnten Ritter zu erkennen, traurige Gestalten liegend und mit Brillen maskiert poppig gezeichnet? Kann es sein, dass dies der unberechenbare Don Quijote und sein treuer Diener sind?

Bestimmendes Element der Knights ist jedoch das schwarze Quadrat, ein 52x52 cm großes Bild, das man mit dem anderen tiefschwarzen, bedeutungsschwangeren historischen Gemälde nahezu fast automatisch assoziiert, obwohl das ausgestellte Bild ziemlich anders ist. Aber wenn es um solche unbestimmten Situationen und unsichtbare Gefahren, wie sie uns die gegenwärtige Epidemie beschert geht, bleibt man den Archetypen ohnehin ausgeliefert. Im mittleren Galerieraum hängt im Eck ein anderes Bild von Julia Haller, welches möglicherweise auf die bahnbrechende Ausstellung Die letzte futuristische Ausstellung der Malerei 0,10 (Null-Zehn), 1915 verweist, in der Malewitsch sein berühmtes Quadrat ähnlich wie Haller positionierte, den Sinn der Malerei befragend. Wenn die Künstlerin diese Geste in Erinnerung ruft, zeigt sich dabei, dass erst die Verknüpfung von sichtbarem Bild und unsichtbaren Konnotationen die Wahrnehmung des Realen vervollständigt. Essenziell dabei bleibt die sinnliche Erfahrbarkeit von Kunst, die wir aktuell mehr denn je schätzen.

Mehr Texte von Goschka Gawlik

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Julia Haller . Knights
05.05 - 13.06.2020

Galerie Meyer Kainer
1010 Wien, Eschenbachgasse 9
Tel: +43 1 585 72 77, Fax: + 43 1 585727788
Email: contact@meyerkainer.com
http://www.meyerkainer.com
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-18, Sa 11-15h


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