Corita Kent - Joyful Revolutionary: Grenzgängerin ihrer Zeit
Die Kunsthalle Tirol im Taxispalais widmet der amerikanischen Künstlerin Corita Kent (1918-1986) die erste Einzelschau in Österreich und arbeitet dadurch die Kunstgeschichte erratischer jedoch international zu kanonisierender Positionen auf.
Die im Alter von 18 Jahren der katholischen Vereinigung Immaculate Heart of Mary in Los Angeles beigetretene Ordensschwester leitete das Kunstdepartment des dort angesiedelten Colleges und reüssierte als Künstlerin im Kontext der Pop-Art der 1960er Jahre mit ihren Siebdrucken und Serigrafien. Die Ausstellung fokussiert den Zeitraum zwischen 1962 und 1969, der auch jene Bruchstelle markiert, als Schwester Mary Corita 1968 aus dem Orden austrat, um sich fortan ausschließlich ihrer künstlerischen Karriere unter dem Namen Corita Kent zu widmen.
Die Siebdrucktechnik galt für Kent als demokratisches und kostengünstiges Modell, an dem sie gemeinsam mit ihren Studierenden arbeitete und den sie für sich ähnlich wie Andy Warhol in seiner Factory als eigene künstlerische Produktion reklamierte. Die Ausstellung widmet sich mehreren Werkzyklen und ist in ihrem Display an die grellen und fluoreszierenden Farben jener Zeit angelehnt, durch die Kents Arbeiten bestechen, die jedoch heute aus umwelttechnischen Gründen nicht mehr in dieser Weise eingesetzt werden.
Den Beginn macht die Serie „Circus Alphabet“ mit 26, den Buchstaben des Alphabets gewidmeten Arbeiten, deren Typografie an Illustrationen des 19. Jahrhunderts und die Vaudeville Ära jener Zeit erinnert, und die zusätzlich mit der Handschrift der Künstlerin versehen sind. Neben der aus der Werbung aufgegriffenen Ästhetik finden sich hier Zitate von E. E. Cummings, Henry David Thoreau oder Albert Camus, die Formen von Freiheit abseits politischer Einflussnahme proklamieren. Eine klare Anlehnung an die konsumorientierten Referenzen einer Pop-Art stellen jene Siebdruckarbeiten dar, die Teile der Logos von Supermarktketten wie Market Basket oder Safeway aufgreifen und textuelle Versatzstücke wie „Tomato“ integrieren.
In Vitrinen quer durch die Räume werden unterschiedliches Archivmaterial, vom Newsweek Cover 1967, Einladungskarten, Auftragsarbeiten, Dokumentationsfotos sowie jener Rücktrittserklärung aus dem Orden gezeigt und mit zwei Videos ergänzt, um jene Lebens- und Arbeitsatmosphäre der damaligen Zeit zu konkretisieren, die auch die Arbeit an der Vorbereitung von Marienfeierlichkeiten beinhaltete. Wichtig für die Künstlerin war in dieser Hinsicht das zweite vatikanische Konzil von 1962, das zu mehr Religionsfreiheit und einem Dialog mit Nicht- oder Andersgläubigen aufrief.
Die Arbeiten im Untergeschoss sind Kents politisch-aktivistischem Potential nach Austritt aus dem Orden gewidmet, bei denen es sich u.a. um den Vietnamkrieg dreht und Kent Texte zur Sklaverei von Walt Whitman verwendet, oder auf die Tätigkeit der beiden Priester und Gebrüder Berrigan verweist, die Einberufungsbefehle in den Krieg verbrannten und kontinuierlich mit Gefängnisstrafen konfrontiert waren. Kents Oeuvre der 1960er Jahre kreist um Momente einer sozialen Gerechtigkeit, dessen Ästhetik jener Oberflächlichkeit der Werbeästhetik geschuldet sein mag, in seiner Inhaltlichkeit jedoch elementare Grundsätze zu Demokratie mit einem linksliberalen Politikverständnis verquickt.
30.05 - 11.10.2020
Taxispalais Kunsthalle Tirol
6020 Innsbruck, Maria-Theresien-Str. 45
Tel: +43 512 594 89 401
Email: info@taxispalais.at
http://www.taxispalais.art
Öffnungszeiten: Di-So 11-18, Do 11-20 Uhr