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Caspar David Friedrich - Kunst für eine neue Zeit: Hamburger Höhen und Tiefen

Gefühlt gibt es kein Jahr mehr, das ohne Jubiläum samt anlassgerecht deutschlandweiter Parallelaktion verstreichen darf. Diesmal ist Deutschlands „klassischster“ Romantiker Caspar David Friedrich dran. 1840 gestorben, würde er in diesem Jahr seinen 250. Geburtstag feiern. Grund genug für ein Ausstellungsfestival, das in mehreren Stufen auch in Berlin, Dresden und Greifswald zündet. Die erste große Retrospektive „Kunst für eine neue Zeit“ der Hamburger Kunsthalle hat dennoch schon im Dezember 2023 eröffnet. Das Weihnachtsgeschäft lügt nicht: bis Mitte Januar wurden schon mehr als 100.000 Tickets verkauft.

Nun ist Friedrichs Malerei tatsächlich eine auch heute noch verdammt interessante Kunst. Der Künstler prägte an der Wende vom Klassizismus zur Romantik nachhaltig deren künstlerische Seite und machte sie mit einem Bildkonzept zum „Stil“, das bis heute ebenso eingängig wie erratisch geblieben ist und mit einer Malweise korrespondiert, die ihre Themen in einen detailgenauen Realismus packt, der sie der anekdotischen Alltagswirklichkeit erst recht enthebt. Vor allem musste er nicht nach Italien, an die antiken Stätten. Er wird im zeitgenössischen Dresden, an der Ostsee und nicht zuletzt dank der Bilder anderer in seiner Fantasie fündig.

Es ist eine amtliche Retrospektive, die Friedrich-Experte Johannes Garve mit Markus Bertsch von der Kunsthalle rund um den hauseigenen, reichen Bestand – allen voran das exzeptionelle „Eismeer“ (1823/24) – auf die Beine gestellt hat. Interessant zumal der Saal mit späten Bildern, darunter „Meeresufer im Mondschein“ (1836), ergänzt um karge Gebirgslandschaften, die sich heute in Museen in St. Louis und Fort Worth befinden. Toll auch der genaue Blick auf den Zeichner Friedrich, dessen wissenschaftlich-akribische Naturstudien aber ganz im Trend der Goethe-Zeit – keine Kunst ohne genauestes Studium der Natur – liegen. Wäre nur das arge Gedrängel nicht.

Umso trauriger die Ausstellungsflanke, die Friedrich aus der Perspektive der Gegenwartskunst wohl einem jungen Publikum nahebringen soll: das weckt Zweifel an der Kompetenz ihrer Macher. Irgendwie nett zwar, wenn beispielsweise Hiroyuki Masuyama (Jg. 1968) glaubt, Friedrichs Werken einerseits durch an Originalschauplätzen nachgestellten, dann digital montierten Fotos näherzukommen und andererseits meint, damit mehr als eine aufwändige Fleißarbeit „after C. D. Friedrich“ abzuliefern – als hätte es die Appropriation Art der 1980er-Jahre nie gegeben. Süß, wenn Julian Charrières (Jg. 1987) mit dem Schweißbrenner möglichst fotogen arktische Eisberge anschmilzt, um seine spektakulären Fotos später im Kunsthandel an ausreichend geschmacksresistente Kund:innen bringen zu können – freilich nicht ohne den öko-bewussten Fingerzeig darauf, dass das notorisch problematische Verhältnis Mensch-Natur spätestens mit dem Anthropozän unrettbar aus dem Lot geraten sei. Zuletzt mag man Kehinde Wiley (Jg. 1977) zwar zur subversiven Besetzung des Makart-Saals gratulieren: Dort hat er zwei zu Riesenformaten aufgeblasene Friedrich-Adaptionen platziert, samt darin insertierter Schwarz gelesener Personen – laut Untertiteln der Tänzer Babacar Mané sowie die senegalesischen Fußballer Ibrahima Ndiaye und El Hadji Malick. Die drei auf vier Meter großen, massiv gerahmten Bilder aus dem Besitz einer in Vancouver beheimateten Privatsammlung fügen der schlichten Bildidee leider aber ebenso wenig hinzu, wie der Salonkitsch von einst, der im Makart-Saal ohnehin in Überfülle seinen Platz hat, das Ensemble stört. Die „Kunst für eine neue Zeit“ von heute sieht da plötzlich ganz schön alt aus.

Mehr Texte von Hans-Jürgen Hafner

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Caspar David Friedrich - Kunst für eine neue Zeit
15.12.2023 - 01.04.2024

Hamburger Kunsthalle
20095 Hamburg, Glockengießerwall
Tel: ++49 (0) 40 428 131 200, Fax: ++49 (0) 40 428 54 34 09
Email: info@hamburger-kunsthalle.de
http://www.hamburger-kunsthalle.de
Öffnungszeiten: Di-So 10-18 h, Do 10-21 h


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