Daniela Gregori,
Francis Alÿs - Fabiola: Lookalike eines Phantoms
Raphaels „Sixtinische Madonna“, zumindest das Detail der lümmelnden Engel, wäre ein heißer Kandidat gewesen, oder Leonardos „Letztes Abendmahl“, auch Dürers „Betende Hände“ hätte man sich gut vorstellen können. Aber das Bildnis einer Heiligen, von der kaum jemand die Heilige und schon gar niemand das Bildnis kennt?
Knapp fünfzehn Jahre ist es nun her, dass Francis Alys beschlossen hatte - trotz der unter Künstlern üblichen knappen finanziellen Ressourcen - eine Sammlung aufzubauen. Nein, nicht die Werke von Künstlerfreunden sollten es sein, auch keine Ware deren Investition sich sicher lohnen würde, sondern ein unter Amateuren, Dilettanten und sonstigen Sonntagsmalern beliebtes Sujet sollte ausgewählt und auf Flohmärkten und bei Antiquitätenhändlern erworben werden.
Investigatives Sammeln nennt man derlei Unternehmungen wohl, und zum großen Erstaunen des Künstlers war es nicht ein Dauerheuler aus der Kunstgeschichte, der sein gesteigertes Interesse erweckte, sondern, ob seines erstaunlichen Aufkommens am Sekundär-, Tertiär- und Aufwärts-Markt, das Bildnis der Heiligen Fabiola in einer Version, die auf den französischen Realisten des 19. Jahrhunderts Jean-Jaques Henner zurückgeht.
Über 300 dieser Kopien eines seit langem verschollenen, lediglich als Reproduktion verbreitenden Originals hat Alys in Europa und Amerika zusammengetragen, rund 300 Frauenportraits mit karmesinrotem Schleier im Profil nach links gewandt, rund 300 Gesichter, die sich zwar irgendwie ähneln, aber dennoch nicht gleichen. Das Kinn zu energisch, die Nase zu rund, das gesamte Ensemble (gleich aller bösen Walt-Disney-Stiefmütter in Personalunion) zu comichaft. Aber wie überhaupt sah das Vorbild aus?
Von Fabiola wissen wir, dass sie im 4. Jh. in Rom gelebt hat, sich von ihrem gewalttätigen Ehemann scheiden ließ, dafür in ihrer zweiten Ehe mit allzu früher Witwenschaft bestraft wurde und sich nach Wiederaufnahme in die christliche Gemeinschaft um das Wohl der Armen und Kranken sorgte, wofür sie heute als Patronin der Krankenschwestern gilt. Nicholas Wiseman, ein englischer Kardinal, schaffte mit der als Novelle verfassten Lebensbeschreibung der Vertrauten von Hieronymus einen Bestseller, der die Heilige, die so gut zu einem selbstbewusst-weiblichen Aufbegehren samt christlicher Rückbesinnung passte, in das Blickfeld einer jüngeren Leserschaft verfügte.
Seit Francis Alys seine wachsende Sammlung unter der Schirmherrschaft der Dia Art Foundation in der Hispanic Society in New York, dem Los Angeles County Museum und nun der Londoner National Portrait Gallery gezeigt hat, häufen sich nun im Netz die Meldungen derer, die am Dachboden der Oma das vermeintliche Original gefunden hätten. Bei Raphael, Leonardo oder Dürer wäre das dem in Mexico City lebenden Belgier wohl nicht passiert. Also vielleicht doch eine verstohlene patriotische Geste, als Gruß an die Königin?
Mehr Texte von Daniela Gregori
Francis Alÿs - Fabiola
02.05 - 20.09.2009
National Portrait Gallery
WC2H 0HE London, St Martin`s Place
Tel: +44- 020 7312 2463, Fax: +44-020 7306 0056
http://www.npg.org.uk/
Öffnungszeiten: 10-18 h
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